„Der Höhenweltrekord mit dem Fahrrad geht nach Deutschland“ (Sachsen)


Dutzende internationale Bergsteiger aus China, Kanada, Iran, Schweiz, Frankreich, Japan und auch Deutschland versuchen sich Jahr für Jahr daran, den Vater der Eisberge, den „Muztagh Ata“, zu bezwingen. Ein 7.546 m hoher Schnee- und Eisgigant, welcher sich wie eine unwirkliche Fatahmorgana aus der Ebene erhebt, um im Sommer mit seinem Schmelzwasser die einzigen Flüsse der Umgebung zu  erschaffen, was ihm auch seinen unverkennbaren Namen einbrachte. In der autonomen Provinz Xinjian, im äußersten Westen von China, ist er gemeinsam mit dem „Kongur Tagh“ die mächtigste und höchste Erhebung, welche über allem thront. Wir (Gil Bretschneider & Peer Schepanski) haben diese massiven Berggiganten im Jahr 2004 zum ersten Mal gesehen und gleichzeitig erfahren, dass es super Verrückte gibt, welche den „Muztagh Ata“ mit dem Fahrrad abfahren. So wurde nach unserer nervenaufreibenden und kräftezehrenden Himalayaüberquerung gleich das nächste Projekt geboren, welches ganze 5 Jahre bis zur Umsetzung benötigte.

Nachdem wir im Jahr 2008 den Berg in Angriff nahmen, um Erfahrungen vor Ort zu sammeln und unsere Möglichkeiten auszutesten, sind wir jetzt auf der Anreise, um unser waghalsiges Projekt umzusetzen. Überall wo wir mit unseren ungewöhnlichen Rädern auftauchen erzeugen wir Aufmerksamkeit, aber auch Verwunderung über die extremen Ausmaße unserer Spezialreifen. Diese brauchen wir, um auf dem Schnee des „Muztagh Ata“ fahren zu können ohne zu tief einzubrechen. Über den 4.750 m hohen Kunjerab Pass, den höchsten Grenzpass der Welt reisen wir aus Pakistan aus und nach China ein. Sofort merken wir den gravierenden Unterschied des Unterwegs seins. In jedem Land, in welchem wir bisher waren fühlten wir uns als Gast, aber hier in China spürt man den Zwang und die Machtlosigkeit wie wir sie aus der ehemaligen DDR kannten. Auf der Suche nach Drogen beschädigen die Zöllner das Auto unseres Fahrers, ohne das dieser etwas dagegen unternehmen kann. Bei jeder kleinen Bemerkung werden wir zurechtgewiesen und wir sind froh, dass wir nach einem langen Tag der Einreise Tashkurgan, den ersten Vorposten Chinas erreichen. Andy, unser Kontaktmann auf dieser Seite der Mauer hilft uns bei all unseren Wünschen und es dauert nur 3 Tage bis wir alles Benötigte organisiert haben und mit unseren Rädern am 16.07.2009 von Subax ins Basislager des „Muztagh Ata“ strampeln. Für die 800 Höhenmeter von 3.600 m bis 4.400 m brauchen wir nur wenige Stunden, doch dies ist ja auch nur ein kleiner Vorgeschmack auf unser riesiges Vorhaben.

Wir sind froh, dass uns dieses Mal ein befreundeter Arzt (Dr. Jens Kittel) mit Rat und Tat zur Seite steht. Zusammen mit einer Schweizer Gruppe sind wir die ersten am Berg und beziehen den gleichen Platz wie im vergangen Jahr. Das Wetter ist schlecht und der Schnee hüllt selbst das Basislager in eine weiße Pracht, welche uns herausfordert ihr Parole zu bieten.

Da das Aufführen jeder einzelnen Sache, welche wir am Berg unternehmen, den Rahmen sprengen würde, versuchen wir nur die wichtigsten Momente niederzuschreiben.

In den Wochen nach unserer Ankunft im Basislager, welche immer wieder von Schlechtwetterphasen heimgesucht werden, starten wir eine perfekte Akklimatisierung, ohne die ein solches Projekt niemals realisierbar wäre. Wir benutzen keine Träger und richten selber die Höhenlager 1 und 2 ein, welche sich auf 5.400 m (Lager 1) sowie 6.170 m (Lager 2) befinden. Der schwerste Part ist nun die 13 Kg schweren Räder durch den tiefen Schnee in dieser dünnen Luft zu tragen. Wir schaffen es, die Fahrräder im Lager 2 zu deponieren und ernten selbst schon dafür Anerkennung bei so manch hartem Bergsteiger, welcher verwundert unseren beschwerlichen Weg kreuzt. Zwischen den kräftezehrenden Tagen des Hinaufsteigens in die Zonen wo kein Leben mehr möglich ist, gönnen wir uns mehrere Tage der Ruhe, um dann das Fahrrad noch weiter in den Himmel zu tragen. Immer vor Augen, den bestehenden Höhenrekord von 7.008 m zu brechen und der Welt zu zeigen, was mit einem Fahrrad alles möglich ist. Also warum nicht wieder auf dieses Gefährt zurückgreifen, um unsere Umwelt zu schonen und die Klimaerwärmung zu stoppen.

Am 03.07.2009, also gute 3 Wochen nach unserer Ankunft im Basislager schaffen wir es in einem Gewaltmarsch unsere Spezialräder bis in das vorher errichtete Lager 3 zu hieven. Selbst ein Schneesturm und 20 cm Neuschnee können uns nicht davon abhalten unsere treuen Gefährten in der kalten Unwirklichkeit, auf 6.860 m, zurückzulassen. Nun ist der Weg für einen neuen fabelhaften Rekord geebnet, da der vom Jahr 2000 bestehende Rekord nur wenige Meter über Lager 3 geknackt wäre. Bevor wir jedoch noch einmal unsere ganzen Kräfte zu einem letzten Vorstoß bündeln werden, tanken wir Kraft im Basislager.

Nun sind wir ganz auf uns gestellt, da Jens unser Freund und Arzt nur bis zum Lager 2 mitkommen kann und andere Expeditionen bereits erfolglos abgereist oder noch nicht in diese Höhen vorgedrungen sind. Nervös warten wir auf den Tag der Entscheidung, welcher schon so lange in unseren Köpfen reift. Nachdem wir 6 Mal im Lager 1 (5.450 m), 4 Mal im Lager 2 (6.170 m) und 3 Mal im Lager 3 (6.860 m) waren, also weit mehr als jede andere Expedition am Berg, erreichen wir im knietiefen Neuschnee das letzte Lager. Das Spuren im Schnee ist nun unser größter Feind, da wir seit dem Lager 1 völlig allein unterwegs sind und nur noch uns gegenseitig haben, um sich in diese immer schwerer werdende Arbeit hinein teilen zu können.

Hier liegen wir nun zusammengerollt in unseren Schlafsäcken, mit leichten Kopfschmerzen aber voller Erwartungen auf das was noch kommen wird, wenn wir in den eisigen Morgenstunden das Zelt auf 6.860 m verlassen. Wie bestellt spielt auch das Wetter mit und es liegt nur an uns dieses verrückte Vorhaben in die Tat umzusetzen. Kaum haben wir die Räder mit Hilfe der Spezial-Tragegestelle auf unseren Rücken verstaut, stampfen wir am 10.07.2009, um 5:30 Uhr in den minus 30 Grad Celsius kalten Morgen. Der Schnee der letzten Tage verlangsamt unseren Tatendrang und dennoch lassen wir uns nicht unterkriegen. Im Kopf reift der Gedanke etwas ganz Großes zu vollbringen, also wechseln wir uns wie eine programmierte Maschine beim Spuren ab und Erringen so einen Höhenmeter nach dem anderen.

Nach wenigen Stunden haben wir den alten Rekord von 7.008 m gebrochen, doch dies reicht uns nicht, da wir noch weiter hinauf wollen, wenn es irgendwie geht sogar den Gipfel erreichen. Doch umso höher wir kommen, umso schwerer wird es das 18 Kg schwere Gewicht durch den tiefen Schnee bergauf zu tragen. Auf einer unglaublichen Höhe von „7.211 m“ bleiben alle GPS und Höhenmesser stehen und wir klatschen völlig ausgepumpt in die Hände, denn dies ist die neue magische Guinness Weltrekord Marke, welche wir mit dem „höchsten Fahrrad der Welt“ erreicht haben. Der Weltrekord geht nach Deutschland und mit einer Fahne auf welcher unsere Botschaft eines gemeinsamen Kampfes gegen globale Erwärmung geschrieben steht, unterstreichen wir unsere Leistung. Die Abfahrt auf den endlosen Schneeflächen des „Muztagh Ata“ und das Abbauen der einzelnen Höhenlager erfordert ebenfalls all unsere Kraft und Konzentration, so dass wir von der Höhe und Sonne gezeichnet, erst nach 2 Tagen das Basislager erreichen, wo zahlreiche Expeditionen uns zu diesem neuen Weltrekord gratulieren. Am Ende unserer Kräfte, aber im guten Glauben etwas Besonderes vollbracht zu haben, als Zeichen für einen guten Zweck, durchflutet uns eine innere Zufriedenheit in der wir uns sicher noch lange baden werden. Wir haben es geschafft und sind die höchsten Fahrrad fahrenden Menschen der Welt, eine Gewissheit, welche viel Aufopferung und Schmerzen bedeutet hat, aber wieder einmal zeigt, wozu Menschen alles in der Lage sind. Also wenn zwei Verrückte wie wir etwas scheinbar so Unmögliches leisten, was können dann erst alle Menschen gemeinsam bewirken, bevor es zu spät ist.

Getreu unserem Expeditionsmotto:
„Gemeinsam gegen globale Erwärmung“
GIL & PEER
Team „GRENZENLOS EXPEDITIONEN“
16.07.2009

Wir benutzen Cookies
Wir verwenden Cookies auf unserer Website. Es handelt sich ausschließlich um für die Funktionalität der Webseite erforderliche Cookies, es werden keine Tracking Cookies für Werbenetzwerke verwendet.